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March 27, 1995

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March 27, 1995
Straßen. eine Unterhaltung.

X: Du kannst nichts erreichen, ohne diese gewisse Besessenheit. Diese Geschwindigkeit muß schon sein. Wenn Du durch dein Leben so schlenderst, kommst Du ja nirgendwo an. Wenn Du aber ein Ziel vor Augen hast, dann gehst Du schon mal über Leichen, dann macht es Dir nichts aus. Es ist glaube ich wichtig, daß man über Leichen gehen kann.

W: Hmm, Du meinst es ist so wie mit Autofahren. Du kannst entweder den Wagen schieben, oder ganz langsam fahren, dann kommst Du sehr langsam voran. Du kannst auch ziemlich langsam, aber unbestimmt, also ohne Ziel fahren, dann ist das Risiko groß, daß Du ankommst, wo Du nicht sein wolltest. Du kannst aber schneller ankommen, als andere die zum gleichen Ziel wollen, und dann hat es ja etwas mit dieser Besessenheit zu tun,.
Du kannst auch auf der Autobahn irgendwohin fahren. So nach Köln zum Beispiel. Du weißt, dafür brauche ich 2 Stunden und dann bin ich da. Egal ob da ein toter Hase auf der Strecke liegt.

X: Ja, ich glaube das ist ein guter Vergleich. Es ist ja wirklich so. Je mehr Gas Du gibst, also mit je mehr Energie Du startest, desto schneller kommst Du an Dein Ziel.

W: Hmm. Mir ist übrigens Köln deshalb eingefallen, weil ich mal auf dieser Strecke einen Habicht getötet habe. Ich fuhr gerade sehr schnell, war also auch auf der linken Spur, und merkte natürlich nicht, daß da ein solcher Vogel saß. Er muß etwas gesehen haben, als ich schon ganz nahe war. Er startete, und gerade in dem Moment fuhr ich an dieser Stelle vorbei. Ich sah seine ausgebreiteten Schwingen, als er versuchte abzudrehen. Er prallte mit seinem Bauch vom Kühlergrill meines Autos. Es war furchtbar. Er ist dann erst unter meine Räder gekommen, dann unter die des Hintermannes auf der rechten Spur. Der Vogel war sofort tot. Ich konnte nicht einmal anhalten. Neben mir waren auch Autos. Hätte nicht ich, dann hätte ihn sicher der neben mir ihn erfaßt und getötet. Mein Kühlergrill ist recht hoch, war damals auch aus Metall. Der Vogel hatte sich darin vollständig abgedrückt. Man konnte sogar die zusammengeballten Krallen erkennen.…

X: Hmm.… Ja, aber Du bist schnell zum Ziel gekommen.

W: Na gut, aber eigentlich ist es ja kein gutes Beispiel. Wäre das Leben wirklich eine Straße, dann wäre es eine Straße mit sehr sehr vielen Spuren, vor allem aber mit verdammt wenigen Hinweisschildern. Es wäre ja auch möglich, daß sich die Stadt, zu der ich gelangen möchte mit der gleichen Geschwindigkeit von mir weg bewegt. Es könnte auch sein, daß ich zwar in diese Bestimmte Stadt will, aber irgendwie ist eine Mauer auf der Strecke. Ich werde dann selbst zum Opfer meiner Geschwindigkeit. Man ist doch eher tot, wenn man schnell fährt. Außerdem sieht man dann nicht so viel.

X: Vielleicht funktioniert das Leben ja doch anders. Aber Du hast ja schon recht mit den Mauern. Die gibt es auf jeden Fall. Wenn man langsamer fährt kann man sie umfahren.

W: Vielleicht sollte man den Standpunkt völlig ändern. Vielleicht wäre es ja schön, sich über all diese Mauern zu erheben, und die Straßen. Einfach abheben und sich einen gewissen Überblick verschaffen. Von oben sieht das ganze doch mit Sicherheit ganz anders aus, als von der Perspektive hinter dem Steuer.

X: Ja, aber zum abheben brauchst Du ungemein viel mehr Energie, als zum Vorwärtskommen. (Und dann könnte es ja passieren, daß Du beim Starten von einem Wahnsinnigen Autofahrer erfaßt wirst und nur noch einen Abdruck in Metall übrigläßt)

W: Ja, und dann ist man auch noch nicht unbedingt vorwärts gekommen. Aber der Spaß kann auch ein viel größerer sein. Kann sein, muß ja nicht.
Es doch eher so ist, daß man den Wert einer Sache oder eines Zustandes erst wirklich erkennt, wenn man die Sache hat, oder im bestimmten Zustand ist. Das ist doch auch so ein Trick.

X: Du meinst, daß jemand der Drogen nimmt anders darüber denkt, als einer der nur davon gehört hat?, oder daß Geld in der Wüßte nichts bringt. Oder daß dein superschneller Wagen plötzlich von einem anderen, den Du noch nie gesehen hast mit einer unglaublichen Leichtigkeit überholt wird?

W: Vielleicht fahren alle in eine falsche Richtung. Vielleicht gibt es einen Weg, der völlig woanders hin führt, der aber gleichzeitig so viel lehrreicher und schöner ist.

X: Nur sind die anderen dann schon davon gerast, während Du noch damit beschäftigt bist, Dir die Äste aus dem "schönen" Weg zu räumen..

W: Sollen sie doch. Sollen sie doch an die Mauern knallen, von den Klippen stürzen.

X: Ja aber auch wenn Du auf diesem schönen, lehrreichen Weg fährst, kannst Du ja nicht wissen, ob der andere Weg nicht vielleicht noch schöner und besser ist, Du kannst ja genauso abstürzen. Der Weg kann ja genauso tückisch sein, so unberechenbar. Nein er ist auf jeden Fall unberechenbarer, gefährlicher.

W: Klar, das ist für jeden anders. Ich bin mal mit zwei bekannten durch Amerika gefahren. Sie waren noch vor der Reise meine Freunde. Ich lernte sie während der Reise besser kennen und sie wurden zu Bekannten, aber das ist eine andere Geschichte.
Jedenfalls war es fast schon gegen Ende unserer Reise, als mir diese ganze Sache mit den Verschiedenen Straßen so auffiel. Wir waren in Hollywood und wollten möglichst bald nach San Francisco. Zuerst wollten diese beiden durch die Straßen von Bevelly Hills fahren. Das war schon ziemlich komisch, denn eigentlich hatten sie sich beide so unglaublich aufgeregt, daß da so viele Reiche Leute wohnen in Amerika. Es war so, als verabscheuten sie diesen Glanz nach Außen, im inneren wollten sie aber wirklich dabei sein, sie wollten ein Teil davon sein.

X: Und was hat es mit der Straßenmetapher zu tun?…

W: Sorry, ich habe wieder zu weit ausgeholt. Wir wollten also den Schnellsten Weg nach San Francisco nehmen. Es war auch später Nachmittag und wir hofften so in Bakersfield oder so zu übernachten. Dann gab es aber noch diese andere Strecke. Es ist die Strecke über Santa Barbara. Also den Highway One entlang. Wir waren schon auf dem Interstate 5 , als ich auf der Karte diesen Schleichweg zu der anderen Straße sah. Es klingt jetzt so, als ob ich irgendwie der Freund der schönen Straßen, die anderen die Freunde der häßlichen Straßen wären. Hmm, manchmal kam ich mir so vor. Muß aber wirklich nicht stimmen. Na jedenfalls konnte ich den Fahrer davon überzeugen, den kleinen geschlängelten Weg zur Küste zu nehmen. Es war nicht schwer ihn zu überzeugen. Seine Freundin schlief gerade und so konnte ich einfach anfangen mich von der Straße auf der wir fuhren zu begeistern. Er reagierte grundsätzlich mit der entgegen gesetzten Meinung, allerdings nur wenn ich begeistert war. Ich durfte es natürlich nicht zu weit treiben. Es mußte schon alles echt sein. Dann im Richtigen Moment, wenn er anfing den momentanen Zustand zu hassen, schob ich ihm einfach die Alternative vor… und schwupp, schon biß er an. Wir fanden uns auf der schmalen Straße nach Ventura wieder, also auf dem Weg nach Santa Barbara.

X: Na gut, aber das hat ja weniger mit unserem Beispiel zu tun.

W: Warte… wir hatten unglaubliches Glück. Die Straße war einfach phantastisch. Sie verlief über einen Gebirgskamm. Die Gegend war ausgetrocknet, und verwandelte sich vor unseren Augen in ein geradezu Magisches, orangenes etwas. Keine Häuser, keine Menschen, keine Autos. Die Sonne begann unterzugehen, die Landschaft sah durch dieses grandiose Licht so phantastisch aus. Ich war so glücklich. Ich war einfach glücklich. Der Fahrer neben mir war auch glücklich, denn schließlich hatte er den Weg ausgewählt. Es störte mich aber nicht als er mir sagte, daß es leider doch nicht so gut aussieht, wie er hoffte. Ich war einfach völlig hin und weg. Wir fuhren immer höher und höher und die Straße schlängelte sich immer mehr und mehr. Wir waren schon über die Hälfte der Strecke gefahren, es ging wieder langsam bergab. Die Sonne wurde zu einem Gigantischen orangeroten Scheinwerfer, der uns alle in ein so helles Licht tauchte, daß die Frau auf dem hinteren Sitz aufwachte. Nach einem kurzen grunzen begann sie zu schimpfen und zu jammern. Ob wir denn verrückt seien, hier zu fahren. Sie hätte Kopfschmerzen und Bauchschmerzen. Wir sollten sofort umkehren. Die Straße sei ja viel zu holprig, ihr sei schlecht. Es war so sonderbar. Ich hatte bis dahin nicht gemerkt, daß die Straße holprig war. Ich hatte auch nicht wirklich gemerkt, daß wir uns ständig drehten. Es war alles so bezaubernd. Wir konnten natürlich nicht umkehren. Es gab auf der Straße gar keine Kehrten. Wir mußten diese 30 Kilometer "durchhalten". Keine andere Chance.
Auf dem Weg sahen wir dann sogar ein Haus. Es war nur duch eine viel schmalere Straße zu erreichen. Es sah alles so toll aus. Ich wiederhole mich, ich weiß.

X: Ja aber was heißt das für dieses Straßenbeispiel?, und was ist Dir da aufgegangen?.

W: Hmm. Na ja, sehr einfaches. Es ist einfach die gleiche Straße niemals gleich. Auch wenn sich mehrere Personen zur gleichen Zeit, auf der gleichen Straße, sogar im gleichen Auto befinden, dann erlebt doch jeder einzelne das ganze völlig anders. Für die einen ist es totale Mühe, für andere ein konzentriertes, frustriertes Vorwärtskommen, und für wieder andere ist es ein gigantisches Erlebnis.

X: Na klar, aber Du hättest die Straße ja sicherlich auch ganz anders erlebt, wenn DU die Kopfschmerzen gehabt hättest, Dir die Sonne ins Gesicht knallen würde und auch noch der Magen an jeder Kurve raus wollte und auch anders wenn Du hinter dem Steuer gesessen hättest.

W: Klar. Es ist ja auch wichtig wie man sich fühlt. Sicher. Aber trotzdem führt eine vorbereitete Konstitution schon zu einer Vorauswahl von Erlebnissen. Es klingt ja fast so, als sei ich irgendwie vom Göttlichen Licht geführt diese Straße gefahren, während die anderen wie so arme Teufel nix davon hatten. Sicherlich ist es nicht so. Ich kann mich einfach für so völlig banale Sachen begeistern, die auf mich wirken. Ich wollte auch was für mich haben, nach diesem Flauen Etwas in Bevelly Hills, wo die beiden wie Kinder an den Fenstern klebten, obwohl wirklich nichts zu sehen war, außer gerade rasierter Hecken. Ich brauchte auch ein Erlebnis. Ich dachte nur, daß auf dieser kleinen Straße viel mehr passieren könnte, als auf dem Highway.

X: Na ja, anderes. Vielleicht hättet ihr ja den spektakulärsten Unfall gesehen, oder hättet durch die Geschwindigkeit mehr Zeit an Eurem Zielort.

W: Klar, es ist unmöglich zu sagen, was passiert wäre, wenn wir den anderen Weg gefahren wären.
Ich habe jetzt das Gefühl daß wir uns in diesem Beispiel verfahren haben.

X: Verfahren ist gut.…

Y: Jetzt habe ich Euch schon eine Weile zugehört . Also ich weiß nicht, was ich davon denken soll.

X: Wieso?

W: Warum?

Y: Eigentlich dachte ich ja eher, daß jeder seinen Eigenen Weg hat. Also die Sache mit der Autobahn, na ja, schon irgendwie komisch.

W: Ja, klar hat jeder seinen eigenen Weg. Aber irgendwie werden die meisten dann doch über schon eingefahrene Wege durchgeschleust. Also wenn schon mal einer die Strecke gefahren ist, dann ist sie ja viel leichter zu bewältigen, als wenn man der Erste ist. (Obwohl manchmal das gerade das spannende ist, der Erste zu sein)

Y: Ja aber auch dann hat jeder seine eigene Straße,…

W: Moment, also daß jeder seine Eigene Straße fährt, hmm stimmt vielleicht für den Einzelnen. Er glaubt, daß die Straße für ihn da ist, aber in Wirklichkeit ist ja schon die Existenz der Straße ein Zeichen dafür daß da schon Einer war. Also meine eigene Straße wäre es ja nur, wenn da gar keine da wäre. Aber es ist ja immer eine da. Sogar wenn man sich von einer weg bewegt, dann ist sie ja schon mal da.

Z: Das wird ja total abstrakt. Nur Straßen, worum geht es?

X: Es geht so ein bißchen um das Vorwärtskommen, und wir hatten heraus gefunden, daß es so ein wenig wie Autofahren ist. Also wir vergleichen das Leben gerade mit Autofahren.

Z: Unglaublich. Das ist doch eigentlich ziemlich an den Haaren herbeigezogen. Die Straße ist ein völlig starres Gebilde, das Leben dagegen ist ja etwas bewegliches, etwas völlig organisches.

W: na ja, ich denke das wir das nur glauben. Ich wette, daß ich mindestens zwei feste Punkte im Leben eines jeden Menschen kenne. Na und dazwischen, also zwischen diesem A und B gibt es etwas. Warum nicht eine Straße?. Gut, es könnte auch ein roter Pfaden sein, aber das wäre ja noch viel abstrakter als die Sache mit der Straße. Da läßt sich doch so vieles so leicht erklären und dann haben wir ja sofort so Bilder im Kopf, die diese Umschreibung noch mehr rechtfertigen. Eigentlich ist es natürlich ein Spiel, nichts mehr. Jeder weiß daß das Leben etwas anderes ist, als ein breites graues Ding, auf dem sich Fahrzeuge bewegen. Andererseits kann ich mir auch vorstellen, daß schon so viele Leute auf die Idee gekommen sind diesen Vergleich zu ziehen, also es ist sogar nichts neues.

Z: Da gibt es ja sicherlich ganz viele besonders Amerikaner, die auf dieses Bild gekommen sein müssen.

W: bestimmt…

Z: Also spielen wir weiter. Kinder sind Anhänger, die über die Zeit eigene Motoren kriegen. Es gibt Geisterfahrer, es gibt Tankstellen, Straßenkontrollen,

X: (Jedes Jahr)

Z: Anhalter, Wegelagerer...


Y: Nur diese Sache mit den Schildern, die scheint mir doch zu einfach gedacht. Ich glaube, daß die Straßen ganz viele Schilder haben. Also besonders wenn sie zu diesen Schnellstraßen gehören. Da gibt es doch sicherlich ganz schön viele Hinweise, was zu tun ist, wer hier schon gefahren ist, wohin man kommt, wenn man sich so oder so verhält. Wohin man kommt, wenn man dahin fährt.

X: Hehe, wenn ich in die Chemiestraße fahre, komme ich also nicht automatisch im Musikerviertel heraus?…

W: Ja, ich glaube diese Straßen haben ganz viele Hinweisschilder, die alle lesen können, also solche für alle. Geschwindigkeitsbegrenzungen, Tankstellenwerbeschilder, Informationen… dann gibt es aber auch
so geheime Karten, die nur für bestimmte Leute gemacht wurden. Solche versteckten Botschaften, Hinweise… Umleitungstips, versteckte Abkürzungen.
Manche Leute starten in kleinen Autos, andere werden erst mal von großen gezogen. Dann gibt es welche die…


X: Es wird ja immer schlimmer. Das Beispiel hat sich jetzt so verselbstständigt, daß ich jetzt keinen Straßenatlas mehr anschauen kann, ohne gleich an irgendwelche Amerikanischen Seifenopern zu denken. Ich glaube man sollte es nicht zu weit treiben. Irgendwann ist genug.


Sorry, eigentlich ist das ein ziemlich sonderbarer Text.
Habe mich an dieses eine Gespräch von gestern erinnert. Will Dir lieber das schicken, statt der Intrigenberichte. Es passiert ja was hier in Offenbach und Frankfurt. (hehe)
Komm bald zurück. Trotzdem viel Spaß. : *)